Thursday, June 01, 2006

Blue Train (John Coltrane)

“Blue Train” von John Coltrane ist nach “A Love Supreme” das erfolgreichste Album des Tenorsaxophonisten John Coltrane gewesen, doch ist an Schönheit und Einzigartigkeit kaum übertroffen worden – auch fast 40 Jahre nach Entstehung dieses Meisterwerks.



Blue Train entstand durch den Saxophonisten John Coltrane im Jahre 1957 völlig unerwartet beim Label Blue Note Records – deshalb ungewöhnlich, weil Coltrane zu jener Zeit eigentlich bei einem anderen Label, Prestige Records, unter Vertrag war. Doch nicht nur dadurch, sondern durch viel andere Dinge erhält Blue Train eine unglaubliche musikalische Energie, wie es sie vorher und nachher nur selten mehr gab.


John Coltrane wurde am 23. September 1926 in Hamlet / North Carolina, USA geboren. Sein erstes Instrument, die Klarinette, welches Coltrane mit 12 Jahren beginnt zu spielen, weckt bei ihm schon früh die Interesse an der Musik und speziell am Jazz. Aufwachsen tut Coltrane jedoch in einem sehr religiös geprägten Umfeld, was der spätere Wandel zur Religion und religiös beinhaltete Alben wie „A Love Supreme“ erklären kann.

Nach dem überraschenden Tod einiger Familienagehörigen, darunter auch sein Vater, zu einer Zeit, in der Coltrane mit 13 Jahren noch sehr jung ist, erschüttert die ganze Familie und weckt nun mehr noch den Wunsch von Coltrane Musiker zu werden, weil er durch den Job seines Vaters als Prediger schon früh mit der kirchlichen Musik vertraut gemacht worden war.

Mit 17 Jahren zieht Coltrane dann nach Philadelphia, mittlerweile hatte er jedoch das Instrument gewechselt und spielte nun Altsaxophon. Im Jahre 1945 spielte er dann seine ersten Jobs in diversen Tanzbands. Kurz darauf wird Trane in die Navy einberufen, führt seine musikalische Laufbahn jedoch auch dort weiter.

1947 wechselt Coltrane dann wiederum zum Tenor Saxophon. 8 Jahre später wagt er dann den großen Schritt nach New York City, der „Welthauptstadt des Jazz“ und bekommt dort fortan einen Job im legendären Miles Davis Quintett zusammen mit Paul Chambers und Philly Joe Jones, die später auch auf der Blue Train Platte mitwirken werden. Zunehmend wird Coltrane immer berühmter, beliebter und nach seinem Entzug von seiner langjährigen Drogenabhängigkeit auch endlich musikalisch noch wertvoller. Im Jahre 1957 kommt es dann zur legendären Bleu Train Session, was Coltrane’s bis dahin größter Erfolg werden sollte und nur noch durch „A Love Supreme“ übertrumpft werden sollte.


Die Vorgeschichte von Blue Train ist eines der kuriosesten, die es je gegeben hat. Anfang des Jahres 1957, während Coltrane immer noch große Aufmerksamkeit im legendären Miles Davis Quintett genoss, schloss Trane mit einen neuen Deal mit Prestige Records, dem kleinen Jazzlabel aus New York von Bob Weinstock, doch Alfred Lion, der Besitzer und Mitgründer des legendären Jazzlabels Blue Note Records zeigte sich Anfang des Jahres sehr interessiert an Coltrane, nachdem dieser schon einige Male als Sideman für Blue Note, so zum Beispiel im gleichen Jahr bei Johnny Griffin oder Sonny Clark, tätig war. Das Problem jedoch war, dass Coltrane zu diesem Zeitpunkt schon an Prestige gebunden war.

Trotzdem schlossen beide einen Deal ab, der für eine einzige Platte für das Label von Alfred Lion und Francis Wolff galt. Als die Formalitäten im Büro von Blue Note in Manhattan an jenem Frühjahrstag jedoch grade zu Vereinbaren waren, sprang plötzlich die Katze von Lion, die zuvor auf dem Fenstersims des Zimmers herumlief, aus dem Fenster. Lion war entsetzt, sah aus dem Fenster und konnte sehen, wie eine junge Frau aus dem Taxi stieg und das kleine Kätzchen zu sich ins Taxi nehmen wollte. Völlig aufgebraust rannte er herunter auf die Straße, um seine Katze vor einem Diebstahl zu retten und vergaß dabei völlig John Coltrane, der wartend im Raum saß, um den Vertrag zu schließen, weil er an dem Tag noch andere Sachen zu tun hatte. Als Lion zurückkehrte war Trane natürlich verschwunden und so basierte der Vertrag lediglich auf einem simplen Handschlag, was bei Musikern wie Coltrane lange nichts zu sagen hatte, ob er dann auch noch wirklich interessiert war die Session für das Label durchzuführen.


Doch nichtsdestotrotz vergaß Coltrane sein Versprechen nicht und führte somit am 15. September 1957 seine versprochene Plattensession für das Konkurrenzlabel seiner eigenen Plattenfirma durch.

Ausgezeichnet war dabei, wie Coltrane es daraufhin schaffte eine so großartige Band von Musikern zu versammeln und die Session dann im Tonstudio vom Toningenieur Rudy Van Gelder, der ein guter Freund von Lion und Wolff war und in seinem kleinen Wohnzimmer in Hackensack, New Jersey, die meisten von Blue Note’s Alben aufnahm, bis er später in ein größeres zog, noch zu so einer großen musikalischen Leistung zusammenzubringen.

Natürlich spielt aber auch Van Gelder ein große Rolle an der heute noch sehr gut erhaltenen Klangqualität des Albums. Van Gelder hatte eine besondere Technik, den Sound der Band zu verbessern. So platzierte er das Klavier in der Mitte des Raums und gab dem Klavier damit einen dominierenden Sound, was dadurch dann die ganze Band trug. Alle anderen Instrumente wurden dann um das Klavier herum postiert. Auch auf Blue Train ist dies bei genauem Hinhören sehr gut zu erkennen.


Hier die Musiker, die "Blue Train" entstehen ließen:

John Coltrane – Tenor Saxophon
Lee Morgan – Trumpet
Curtis Fuller – Trombone
Kenny Drew – Piano
Paul Chambers – Bass
Philly Joe Jones – Drums

Coltrane versammelte für die Session um sich eine regelrechte All-Star Band jener Zeit. Die Rhythmusgruppe bestehend aus dem Pianisten Kenny Drew, und dem Bassisten Paul Chambers bzw. Drummer Philly Joe Jones, mit denen John Coltrane schon im legendären Miles Davis Quintett der Fünfziger Jahre zusammenspielte. Lee Morgan, ein taufrischer Trompeter war eine exzellente Wahl von Trane, denn er passt sich großartig an das Konzept von Coltrane an. Curtis Fuller, einer der besten Posaunisten jener Zeit, zeigt sein Können ebenfalls in fantastischen Solos. Sein Auftritt als Sideman bei Blue Train gehört zu den seinen besten Plattenaufnahmen.



Hier die Zusammenfassung der Titel:


„Blue Train“

Mit dem erdigen Bluesthema „Blue Train“ (oder manchmal auch mit dem Namen „Blue Trane“ auf Coltrane’s Namen zurückinterpretiert), kongenial von Morgan, Coltrane und Fuller zu Gehör gebracht, braust die besagte Platte los. Das Stück ist wie alle anderen Stücke auf dem Album außer „I’m Old Fashioned“ von Coltrane selbst geschrieben und zeigt seine einzigartige Qualität als Komponist.

Coltranes Solo wird durch leichte Tempowechsel noch mehr vorangetrieben, was dem Lied ein besonders Feeling gibt. Lee Morgan’s Einstand folgt mit starkem Ansatz, er ist ein wahrer Himmelsstürmer auf seinem Instrument. Im Vergleich zu ihm sieht der Trompeter Donald Byrd, mit dem Coltrane noch eine Woche zuvor als Sideman für Sonny Clarke’s Album „Sonny’s Crib“ spielte, nahezu bieder aus. Zum Thema passende Riffs von ihm und Fuller zu einem permanenten Hörvergnügen. Das Stück endet nach einen Pizzicatosolo von Paul Chambers dann wieder im Thema.

„Moment’s Notice“

„Moments Notice“, eine sehr auffallende Komposition von Coltrane, strahlt eine ungeheuer gelassene Grundstimmung aus, obwohl es sich hierbei um ein sehr schnelles Stück handelt, dass zu einem der am schwersten spielbaren Standards in der Jazzmusik handelt (es ist vom Anspruch her sehr mit Coltrane’s „Giant Steps“ zu vergleichen).

Die Besonderheit an diesem Stück bleibt wohl, dass Trane den Titel erst im Studio zu Ende komponierte und zu Papier brachte. Dadurch kommt einmal mehr die wunderbare improvisielle Leistung der Musiker zum Vorschein, die natürlich vor der Aufnahme keinerlei Proben durchführten, sondern die Musik das erste Mal im Studio zu sehen bekamen.

Wie schon bei „Blue Train“ glänzt die gesamte Bläsertruppe um Morgan, Coltrane und Fuller herum. Doch erst Philly Joe Jones gibt mit seiner Begleitung dem Stück die richtige Fahrt. Am Ende zeigt Paul Chambers am Bass seine wahnsinnige Qualität beim gestrichenen (Arco) Solo. Es gehört definitiv zu einem der besten Solos von Chambers und auch sonst spielt er sehr souverän über das ganze Lied hinweg und gibt mit seinen Walking-Lines dem Stück seine klangliche Tiefe.

„Locomotion“

„Locomotion“ ist ähnlich wie „Moment’s Notice“ ein sehr schnell angezähltes Stück, das mit einem Schlagzeugbreak als Einleitung von Philly Joe Jones beginnt. Das zweite im Blues angesiedelte Thema erlebt durch diese ungewöhnliche Vorstellungsweise von Anfang an ein Spannungselement. Wie ein Komet zieht Coltrane seine Mitspieler von einem genialen Solo zum anderen.

Das Stück endet wie es angefangen hat – Jones zelebriert nach allen Solos ein sehr umfangreiches Schlagzeugsolo, das am Ende wieder ins Thema des Stückes übergeht.

„I’m Old Fashioned“

„I’m Old Fashioned“ ist das einzige Lied auf Blue Train, das keine Komposition von Coltrane ist, aber dieser zeigt einmal mehr mit der Wahl dieses berühmten Standart von Jerome Kern und Johnny Mercer, dass er sagenhaft auch Stücke interpretieren kann, die nicht von ihm selbst stammen.

Im groß und ganzen lockert „I’m Old Fashioned“, eine wunderschöne Ballade, das ziemlich hektische Album, dass aus einigen sehr schnellen Up-Time Stücken besteht, ein wenig auf. Das Stück schafft eine Ruhe, welche durch geschmeidige Solos von Coltrane, Morgan und Fuller untermauert werden.

„Lazy Bird“

Mit „Lazy Bird“ folgt auf die Ballade „I’m Old Fashioned“ darauf wieder ein typisches Up-Time Stück von Coltrane.

Es ist nicht nur eine Anspielung sondern viel mehr eine Hommage auf Tadd Dameron’s berühmte Stück „Lady Bird“, das in diesem Wortspiel zu spüren ist. Coltrane zeigt mit seiner Interpretation und Komposition sehr genau, wie er auf das Stück des Pianisten Dameron eingeht. Er antwortet ihm in der musikalischen Sprache, mit dem Gefühl also, wie auch Tadd sich hätte ausdrücken können wenn aus einer „Lady Bird“ eben ein „Lazy Bird“ wird.

Heute gehört auch dieses Stück, wie fast alle anderen auf dieser Platte auch nicht zur zum Standard-Material von allen John Coltrane Fans, sondern ist auch ein fester Bestandteil des Repertoires jeglicher Musiker geworden.

Mit „Lazy Bird“ endet dann Blue Train, was dem Zuhörer dann das einzigartige Gefühl gibt eines der schönsten Werke der Musikgeschichte wieder mal zu Gehör bekommen zu haben.


Der Toningenieur Rudy Van Gelder, der, wie viele andere Platten bei Blue Note Records, auch diese Session in seinem Tonstudio aufnahm, remasterte Blue Train zur Jahrtausendwende, sodass noch 40 Jahre nach der golden Stunde Coltrane’s das Album an Sound und Klangqualität kaum mehr zu überbieten ist. Außerdem enthält die remasterte Version Alternate Tracks vom Titelstück „Blue Train“ und von „Lazy Bird“. Ein rundum gelungenes Werk.


Blue Train ist ohne Frage eines der berühmtesten und beliebtesten Platten im Jazz und war mit „A Love Supreme“, „Giant Steps“ und „My Favorite Things“ Coltrane’s erfolgreichsten Platten. Doch Blue Train war auch für das Label Blue Note eines der berühmtesten und neben Lee Morgan’s späteren Album „The Sidewinder“ das meistverkaufte Album der kleinen Plattenfirma aus New York und brachte unheimlich große Gewinne ein, was dem Label Ende der Fünfziger einen enormen Auftrieb verschaffte.

Blue Train ist aber auch zu einem Album geworden, dessen Stücke noch heute oft von anderen Musikern auf Auftritten oder Jam-Sessions gerne interpretiert wird. Coltrane’s Stücke sind fast alle in diversen Real Books und Fake Books zu finden.

Doch auch neben anderen Klassikern wie beispielsweise Miles Davis’ „Kind Of Blue“ oder anderen nennenswerten Alben großartiger Musiker macht Blue Train eine gute Figur und macht uns noch heute, fast 30 Jahre nach Coltrane’s Tod im Jahre 1967 klar, dass dieser Mann ein musikalisches Genie war, das immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war.



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4 Comments:

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